> weitere Informationen

  • 1. Zum Projekt

Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt „Geschichte der Informationsrechtswissenschaft“ hat im März 2008 begonnen. Zwei Mitarbeiter, Jan Spittka und Lena Gräwe, sind seit dem damit beschäftigt, die Geschichte des Informationsrechts und der Rechtsinformatik zu durchleuchten. Das Projekt hat eine Laufzeit von 24 Monaten und schließt mit den Dissertationen der beiden Mitarbeiter. Das Projekt ist bei der DFG dem Schwerpunktbereich 1143 eingegliedert. Der Bereich widmet sich Forschungsfragen in der Wissenschaftsgeschichte im deutschsprachigen Raum. Viele der Forschungsprojekte des Schwerpunktbereichs liegen in der Hand von Historikern. Das Projekt zur Geschichte des Informationsrechts ist das einzige Projekt, das von Rechtswissenschaftlern bearbeitet wird.

Zum Projekt Geschichte des Informationsrecht führte Christoph Golla ein Gespräch mit Svenja Lena Gräwe und Jan Spittka in welche Themenbereiche das Projekt unterteilt wird und wie sie innerhalb ihrer Bereiche vorgehen.

Svenja Lena Gräwe zum Bereich Rechtsinformatik:
Download

Jan Spittka zum Bereich Datenschutzrecht:
Download

 

  • 2. Die Projektphasen

„Orientierungsphase“ – Wissenschaftsgeschichte, Wissenschaftstheorie und die Anfänge der Rechtsinformatik als Neuland

Das erste halbe Jahr galt überwiegend der Orientierung. Diese war in vielerlei Hinsicht zu gewinnen.

Zunächst stellte die Rechtsinformatik selbst einen Fremdkörper in der durch die juristische Dogmatik und Denkweise geprägten Welt des Rechtswissenschaftlers dar. In diesem Zusammenhang mussten die Projektbearbeiter erkennen, dass die rechtlichen Fragen des Computereinsatzes, die man heute überwiegend unter dem Begriff des Informationsrechts zu fassen pflegt, zu Beginn des Computereinsatzes im Recht nur eine kleine, untergeordnete Rolle gespielt haben. Im Vordergrund standen vielmehr rechtstheoretische und technische Fragen des Computereinsatzes. Dies änderte sich am Anfang der siebziger Jahre schnell als die Gefahren des Computereinsatzes mehr und mehr in das Bewusstsein von Wissenschaftlern, Politikern und aufmerksamen Bürgern gelangten. „Datenschutz“ lautete das neue Schlagwort, unter dem man fortan die – bisweilen emotionale – Debatte um den Einsatz der neuen Informationstechnologie führte.

Neben der Materie „Rechtsinformatik“ war es außerdem erforderlich, sich mit der Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftstheorie als eigenständige Disziplinen intensiver auseinanderzusetzen und ein methodisches Vorgehen für die Untersuchung der Entstehungsgeschichte von Rechtsinformatik und Informationsrecht zu entwickeln. Es zeichnete sich ab, dass Wissenschaftsgeschichte und -theorie zwar über einen eigenen Methodenkatalog zur Untersuchung von Disziplinen verfügen. Es ist aber nicht unüblich, dass Wissenschaftler für die Untersuchung der Entstehungsbedingungen „ihrer“ jeweiligen Disziplin eigene Kriterien aufstellen. Die wissenschaftsgeschichtlichen und -theoretischen Untersuchungen für rechtswissenschaftliche Teildisziplinen sind relativ überschaubar. Es existieren u.a. einige zur Entwicklung des Polizeirechts oder zum Verwaltungsrecht. Sie sind allerdings für die Untersuchung der Disziplingenese von Rechtsinformatik und Informationsrecht nur bedingt verwendbar, weil es sich beim Polizei- und Verwaltungsrecht um Disziplinen handelt, die sich über einen wesentlich längeren Zeitraum entwickelt haben. Als für die beabsichtigte Untersuchung hilfreich erweisen sich die Arbeiten zum Wirtschafts- und Technikrecht.

„Such- und Ordnungsphase“ – Der Wissenschaftler als Jäger und Sammler

Nachdem in der Orientierungsphase die Literatur der damaligen Zeit umfassend recherchiert wurde und eine Vielzahl von Zeitzeugengesprächen erfolgte, konnte seit ca. Oktober 2008 damit begonnen werden, einzelne Bereiche genauer zu untersuchen. Eine gezielte Literaturrecherche und ein gezieltes Interviewen waren nun möglich. Als Aufgabe in der „Such- und Ordnungsphase“ stellt sich aktuell vor allem die Aufgabe das vorgefundene Material zu sammeln und entsprechend des wissenschaftsgeschichtlichen Stellenwertes zu ordnen. Dabei soll Abstand von einer Ordnung des Materials nach chronologischen Kriterien genommen werden. Im Vordergrund stehen vielmehr inhaltliche Aspekte. In die Entstehungsgeschichte der Rechtsinformatik fließen allerdings sehr viele unterschiedliche Einflüsse ein, die nicht nur auf den Bereich der Rechtswissenschaft beschränkt werden können. Vielmehr spielen informationswissenschaftliche, kybernetische, formal-logische und sprachwissenschaftliche Aspekte eine Rolle. Aufgrund dieser Komplexität und Vielfältigkeit müssen sinnvolle Ordnungsmerkmale für die Rechtsinformatik erst entwickelt werden. Nach und nach kristallisiert sich heraus, dass darin eine wesentliche Forschungsleistung des Projekts besteht. Sie wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

„Bewertungsphase“ – Was sagt uns das alles?

In der Schlussphase des Projekts (geplant ist das letzte halbe Jahr) wollen sich die Projektbearbeiter der Bewertung der in der „Such- und Ordnungsphase“ gemachten Ergebnisse widmen. In dieser Phase wird auf wissenschaftstheoretischen Erwägungen ein Schwerpunkt der Arbeit liegen. Beispielsweise stellen sich Fragen wie: „Sind Rechtsinformatik und Datenschutzrecht eigenständige Disziplinen?“ „In welchem Verhältnis stehen Rechtsinformatik und Informationsrecht zueinander?“ „Gibt es die Rechtsinformatik überhaupt noch als eigenständige Disziplin?“

 

  • 3. Untersuchungsbereiche – Datenschutzrecht und Rechtsinformatik

Nach Abschluss der Orientierungsphase konnten die Projektmitarbeiter inhaltliche Bereiche abstecken, die ein arbeitsteiliges Vorgehen ermöglichen. Jan Spittka erforscht die Entwicklungsgeschichte des Datenschutzrechts. Er betrachtet dabei vor allem die amerikanischen Wurzel der Datenschutzdiskussion und die deutsche Entwicklung von ihren Anfängen bis zur BDSG-Novelle 1990. Besonders die Untersuchung der Datenschutzgesetzgebung der ersten Generation und der Geschehnisse rund um das Volkszählungsurteil spielen bei seiner Arbeit eine Rolle. Lena Gräwe beschäftigt sich mit der Entstehung der Rechtsinformatik im Übrigen. Sie untersucht vor allem die Einflüsse aus anderen Wissenschaften auf die Entstehung der Disziplin. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den Wechselwirkungen die zwischen der Rechtswissenschaft, beispielsweise im Hinblick auf die juristische Methodendiskussion, und den disziplinfremden Einflüssen in der Rechtsinformatik entstanden sind.

 

  • 4. Recherchequellen

Zunächst erwies sich vor allem die Literatur der damaligen Zeit als wesentliche Quelle für die Recherche. Ganz unterschiedliche Texte spiegeln den Geist und den wissenschaftlichen Diskurs der damaligen Zeit wieder. Dabei greifen die Projektbearbeiter nicht nur auf Fachliteratur wie beispielsweise Zeitschriften, Vortragsmanuskripte, Monografien, Bundestagsdrucksachen, Urteile und Tagungsberichte zurück, sondern auch auf die Tagespresse (v.a. „Der Spiegel“, „Die Süddeutsche Zeitung“, „Die Zeit“,
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“). Besonders stolz ist man am hiesigen Institut auf den Gewinn der Fiedler-Bibliothek, die seit Februar 2008 zum Bestand der Institutsbibliothek gehört. Sie fasst über 3.000 Zeitschriften und Monografien und ermöglicht einen schnellen Zugriff auf eine Vielzahl der damaligen Literatur. Die Projektmitarbeiter hatten außerdem die Gelegenheit die Bibliothek von Prof. Dr. Wilhelm Steinmüller einzusehen, die sich teilweise bei Prof. Dr. Bernd Lutterbeck an der Technischen Universität in Berlin und teilweise bei Prof. Dr. Hansjürgen Garstka, dem ehemaligen Berliner Datenschutzbeauftragten, befindet. Die Literaturrecherche ist auch jetzt noch ein wesentlicher Bestandteil der Forschungsarbeit.

Neben der Literaturrecherche habe die Gespräche mit den Zeitzeugen eine wichtige Bedeutung erlangt. Der Stellenwert der sog. „oral history“ ist zwar unter Wissenschaftshistorikern umstritten, hat sich aber für die Projektbearbeiter bereits als sehr hilfreich erwiesen. Besonders in der Orientierungsphase kamen von den interviewten Personen hilfreiche Informationen. In den Gesprächen spiegeln sich außerdem sehr gut der damalige Zeitgeist und die Atmosphäre wieder. Zu den interviewten Zeitzeugen gehören u.a. Wilhelm Steinmüller und Herbert Fiedler, zwei der bedeutsamsten deutschen Rechtsinformatik. Den Auftakt der Gespräche bildete eine Tagung im März 2008 in Greifswald mit dem Thema „Informationsrecht. Geschichte und Zukunft einer Disziplin“. Der Tagungsbericht ist hier abrufbar. Durch die Zeitzeugengespräche können auch wissenschaftssoziologische Erwägungen vermehrt in die Untersuchung einbezogen werden. So hat sich bereits herausgestellt, dass die Rechtswissenschaftler, die sich der Rechtsinformatik angenommen haben, als besonders offen im Umgang mit Ideen jenseits rechtswissenschaftlicher Erwägungen gezeigt haben.
Die Projektmitarbeiter sind stets um einen wissenschaftlichen Austausch bemüht. So besteht ein reger Kontakt zu Prof. Dr. Herbert Fiedler. Im Oktober 2008 kamen außerdem Bernd Lutterbeck und zwei seiner Mitarbeiter (Kei Ishii, Frank Pallas), Wilhelm Steinmüller und Adalbert Podlech zu einem Workshop „Rechtsinformatik“ nach Münster. Im Februar 2009 besuchten Jan Spittka und Lena Gräwe das Internationale Rechtsinformatik Symposium (IRIS) in Salzburg. Hier hatten die beiden Wissenschaftler Gelegenheit, erste Ergebnisse vor einem fachkundigen Publikum in einer Präsentation vorzustellen.

 

  • 5. Veröffentlichungen

Folien zur Geschichte des Datenschutzrechts Spittka, Jan – Informationsrecht – Geschichte und Zukunft einer neuen Disziplin, Tagungsbericht zur Tagung in Greifswald vom 03. – 06. März 2008, MMR 2008, Heft 7, XXX.Hoeren, Thomas/ Gräwe, Lena – Der Aufbau von juris – Ein Motor für die Entwicklung des Informationsrechts?, in: Rüßmann, Helmut (Hrsg.), Festschrift für Gerhard Käfer, Saarbrücken 2009, S. 165 ff.Spittka, Jan – Eine kurze Geschichte des Informationsrechts, LOG IN 2009, Heft 157/158, S. 34 ff.

Anschrift:
Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht
– Zivilrechtliche Abteilung –
Leonardo-Campus 9, 48149 Münster
Tel. 0251 / 83 – 38 6 – 00
Fax 0251 / 83-3 86 01
http://www.uni-muenster.de/Jura.itm/hoeren